STADT- UND STRASSEN-
BAHN
Innovative Entwicklungen bei eingeführten Schienensystemen
Innovation und Stadt- und Straßenbahnen – geht denn das zusammen?
Ja, das geht. Mag der schienengebundene Öffentliche Personennahverkehr heute auch schon etwas in die Jahre gekommen erscheinen, war er im Februar 1884 noch der neuste Schrei, als mit der Frankfurt-Offenbacher-Trambahn-Gesellschaft (FOTG) das erste Unternehmen „richtige“ Straßenbahnen zur Personenbeförderung zwischen den beiden Nachbarstädten einsetzte. „Richtig“ heißt: mit Oberleitung. Die erste Pferde-Omnibuslinie am Main gab es 1839 mit der Inbetriebnahme der Taunusbahn nach Höchst, die erste Pferdebahn fuhr in Frankfurt am 19. Mai 1872, und mit Dampf betriebene Bahnen tuckerten in Kassel seit 1877 durch die Stadt. Auch eine strombetriebene Bahn gab es, die zur Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde fuhr. Da aber kein Fahrdraht für den „Saft“ vorhanden war, standen beide Schienen unter Strom. Um Mensch und Tier zu schützen, mußte die Trasse eingezäunt werden, als „Straßen“-Bahn taugte dieses System also nicht. Mit der Konzessionsvergabe an die Stadt erhielt Frankfurt am 20. Januar 1899 die ersten drei Linien einer „Elektrischen“ und war endgültig im Straßenbahn-Zeitalter angekommen.
Mögen Straßenbahnen an sich nicht als sonderlich innovativ gelten, waren es einzelne Entwicklungen in ihrer Laufbahn auf alle Fälle. So zum Beispiel der erste Großraumwagen, der 1956 als „L“-Zug von Duewag durch Frankfurt fuhr, oder die Niederflur-Technik, die deutschlandweit zum ersten Mal bei den „R“-Typen von Siemens zum Fahrgasteinsatz kam. Sie wurden in zwei Serien zwischen 1993 und 1997 in Frankfurt eingeführt.
Im März 2022 wurde der erste Straßenbahn-Wagen des neuen Typs „T“ an die VGF geliefert. Auch diese Serie wartet – bei 34 von insgesamt 58 neuen Bahnen –, mit einer Innovation auf, zumindest was das Frankfurter Tram-System betrifft: Mit einem Mittelteil wird ein Teil der Flotte 40 Meter lang. Bislang waren 30 Meter Frankfurter Standard. Auch „unter der Motorhaube“ findet sich Innovatives: eine neue Generation von Permanetmagnetmotoren, die Hersteller Alstom als „IPM-Motoren“ bezeichnet. Sie bringen dieselbe Leistung auf die Schienen wie herkömmliche Antriebe, dies aber bei kleinerer Baugröße, was wiederum Gewichtsersparnis bedeutet. Die VGF hatte ursprünglich 45 „T“-Wagen geordert, 23 als 31,5 Meter lange Dreiteiler, 22 als vierteilige 40 Meter-Wagen. Im März 2022 – und vor dem Hintergrund des Ausbaus des ÖPNV in Frankfurt – nutzte die VGF ihre Option, 13 weitere Bahnen zu bestellen, zwölf davon als lange Vierteiler.
Was die Frankfurter 1968 einführten, war ein Erfolgsmodell, das heute auch in Städten wie Köln, Düsseldorf, Stuttgart und Hannover wunderbar funktioniert. In Frankfurt wurde es inzwischen auf neun Linien mit knapp 65 Kilometern Betriebsstreckenlänge und 84 Stationen ausgebaut, von denen 27 unterirdisch sind. Apropos „Ausbau“: Bei der Verlängerung der Linie U5 ins Europaviertel setzte die VGF erstmals eine Tunnelbohrmaschine ein. Das ist zwar weltweit durchaus üblich, wurde in Frankfurt beim bisherigen U-Bahn-Bau aber noch nicht verwendet.
Im Juli 2021 hat die VGF die ersten ihrer 23 neuen Mittelteile für die im Einsatz befindlichen U-Bahn-Typen „U5“ vorgestellt. Die 25 Meter langen Einheiten haben keine regulären Fahrerstände, sondern nur zwei „Notfahrerstände“, um sie auf Betriebshöfen bewegen zu können. Die Mittelteile können in bestehende Zugverbände eingebaut werden und verlängern sie so auf 75 oder 100 Meter. Dadurch entstehen die längsten auf voller Länge begehbaren Stadtbahnen Deutschlands. Der Vorteil besteht einerseits in der Erhöhung der Kapazität bei gleichbleibender Zahl der eingesetzten Züge, andererseits darin, daß kein aufwändiger Ausbau der ortsfesten Infrastruktur oder der Signaltechnik nötig wird.
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2021 ging der erste „U5-100“ auf der Linie U4 in den Fahrgastbetrieb. Die weiteren Fahrzeuge werden ausgeliefert und dann in 75 Meter- und 100 Meter-Zugverbänden eingesetzt.
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